Grafikdesign und Feminismus
Disclaimer
Im folgenen Text sind manche Worte mit einem * gekennzeichnet. Das Sternchen* ist in diesem Fall sowohl Nebenverweis als auch als Zeichen von Genderdiversität zu verstehen. Die Erklärungen zu den Begriffen findet ihr am Ende des Text.
Grafikdesign und Feminismus
Was hat das miteinander zu tun? Nun, eine Menge! Grafikdesign macht das Kommunizieren von Inhalten möglich, folglich geschieht es jeden Tag, überall. Wenn wir vor die Tür gehen werden wir in der Regel bombardiert mit Botschaften und Informationen, meist um irgendetwas zu kaufen oder zu konsumieren. Aber es gibt auch viele Botschaften die sich mit konstruktiven, solidarischen und schönen Inhalten an uns wenden. Projekte die darauf abzielen diese Welt zu einem besseren Ort für alle Menschen zu machen, weltweit. Wenn ich mich also damit auseinandersetze wie ich als Grafikdesigner meinen Teil dazu beitragen kann diese Welt zum besseren hin zu verändern, dann muss ich mich auch mit meinen Privilegien auseinandersetzen. Als weißer (cis*-)Mann mit Hochschulabschluss stehen mir so ziemlich alle Türen offen, wenn ich denn möchte. Bedeutet ich kann mich an entscheidenen Stellen mehr oder weniger selbst darstellen, meine Meinung und persönlichen Interessen vertreten und Projekte konkret beeinflussen. Das dieses Privileg vielen Menschen in unserer Gesellschaft nicht zukommt aufgrund von Strukturen der Unterdrückung und der Ausgrenzung die ein zwangsläufiges Ergebnis der neoliberalen, kapitalistischen Ordnung sind, ist kein Geheimnis sondern Fakt und allgegenwärtig.
So macht das auch nicht vor kreativen Berufen halt bei denen (vermeintlich) schon immer progressivere Strömungen an der Spitze stehen und standen. Nein auch Gestaltung und Design sind Domäne die patriarchal geprägt sind, also vornehmlich von Männern dominiert sind, so wie fast alle Bereiche in dieser Gesellschaft.
Deswegen ist es wichtig, dass auch wir uns damit auseinandersetzen wie wir diese Strukturen durchbrechen, aufbrechen und nachhaltig verändern können. Wenn der Anspruch eine gleichberechtigte Welt für alle ist, dann betrifft das auf Grafikdesign bezogen vor allem den Umgang mit den Mitteln und Ressourcen die uns zur verfügung stehen. Das beginnt z.B. bei der Vergabe von Jobs oder offenen Stellen bei Agenturen, Zeitungen etc.. Ich selbst hatte letztes Jahr die Gelegenheit mich bei einer großen, linken Monatszeitung zu bewerben, als neuer Grafiker. Ich kam dann in die engere Auswahl und zum Schluss wurde mir der Job tatsächlich angeboten. Da hatte ich mich dann also gegen 26 andere Bewerber*innen „durchgesetzt“. Nun ja, scheinbar gefiel den Menschen von der Zeitung mein Stil, und klar ist es wichtig auch zu schauen wer sowohl menschlich als auch gestalterisch zum Projekt passt. Ich lehnte dann aber ab, das lag hauptsächlich an strukturellen und finanziellen Bedingungen die daran gebunden waren, ich erfuhr dann aber auch, dass die Entscheidung wohl sehr knapp ausgefallen war, und mir nur ein minimaler Vorsprung zugesagt wurde zu einer anderen Bewerberin. Sie hat den Job dann letztendlich bekommen worüber ich mich sehr freue! Denn ich finde, gerade wenn die Entscheidung so knapp ist wie diese wohl war, hätte ihr der Vortritt gewährt werden sollen. Nicht aus vermeintlich gut gemeinten aber total verstaubten „Gentlemen“ Gründen oder aufgrund der von Angela Merkel bekräftigten sog. Frauenquote. Nein, sondern aus Prinzip. Es ist nachgewiesen, das Frauen* in kreativ Berufen ebenfalls oft den kürzeren ziehen und männliche Kollegen bevorzugt werden. Für mich ist es faktisch einfacher einen Job zu finden. Das muss sich ändern.
Ein anderes Feld in dem Gestalter*innen, aber vor allem Gestalter, tätig sein können ist zum Beispiel die Wahl von Schriften. Die meisten der populären Schriften die in den letzten Jahrzehnten im gebrauch sind, wurden größtenteils von Männern entworfen. Es handelt sich typografisch gesehen ja auch um gute Schriften, keine Frage. Aber auch hier herrscht ein Ungleichgewicht in der Repräsentation. Und weil Schriften so unglaublich wichtig sind, sie begegnen uns überall, täglich hundertfach und bestimmen maßgeblich unsere Kommunikation, bietet es eine gute Möglichkeit hier Gestalter*innen Raum zu geben der ihnen* so oft verwehrt wird. Es gibt tolle Seiten die ausschließlich Schriften von Frauen* anbieten, Adobe Fonts hat eine eigene Rubrik zu dem Thema eingerichtet. So können zum einen Gestalter*innen konkret finanziell unterstützt werden und zum anderen macht die Benutzung dieser Schriften Frauen* und ihre Arbeiten in der Welt des Grafikdesigns sichtbar. Im Anschluss an diesen Text werdet ihr verschiedene Links zu Seiten finden die sich mit dem Thema auseinandersetzen.
Darüber hinaus bietet es auch die Möglichkeit sich nochmal vermehrt mit Typografie auseinander zu setzen, zu recherchieren und zu graben nach Schriften die andere vielleicht noch nicht gefunden haben, auszuprobieren und und und. Mir hat das jedenfalls auch viel Freude bereitet mich damit zu beschäftigen, rum zu nerden und auszuprobieren.
Weitere Möglichkeiten sind: Bilder von Illustrator*innen zu nehmen, Bücher von Frauen* zu gestalterischen Themen zu lesen, Ausstellungen von Frauen* zu besuchen, Fotograf*innen zu engagieren, Podcasts von Frauen* zu hören, sich mit gendergerechter/ -sensibler Sprache und Typografie auseinander zu setzen.
Überlegt euch mit wem ihr euere Projekte zusammen macht, supportet euch gegenseitig, schlagt anderen Gestalter*innen vor die ihr feiert, repostet auf Social Media die Arbeiten von Frauen*. Und setzt euch auch mit der Geschichte von Gestaltung auseinander.
Es gibt viel zu tun!
Schriften von Frauen*
https://www.design-research.be/by-womxn/
http://www.victoriarushton.com/fonts-by-women
https://fonts.adobe.com/collections/fonts-by-women
https://fontsinuse.com/sets/5247/type-designs-by-women
Podcast
Endartet von XULI und WHATSUPNINI
https://open.spotify.com/show/1OZ9cTt5ZBabO0Ku3xN1yv?si=320052d6ceb748f1
Form Design Podcast, Folgen 1, 3, 4
https://open.spotify.com/show/3TJKgfWRizFzjxJvZg8oqK?si=f5282e722f354977
Buch
Typohacks – Handbuch für gendersensible Sprache und Typografie
https://form.de/collections/bucher/products/typohacks
Begriffe
Frauen*: gemeint sind FINTA* Personen. Das steht für Frauen, Inter Menschen, Nichtbinäre Menschen, Trans Menschen und Agender Menschen.
cis* : bedeutet ich rechne mich dem bei meiner Geburt zugeordneten Geschlecht zu, in meinem Fall als Mann.